"Wir verkündeten den Namen unserer dritten Tochter"
Gegen Ende der Schwangerschaft plagte mich zwischendurch ein leichtes schlechtes Gewissen. War ich für die Geburt genug vorbereitet? Ich hatte weniger oft Entspannungsübungen gemacht als für die
letzte Geburt und auch meinen Damm nicht wie vorgenommen „bearbeitet“.
Der errechnete Termin kam und es regte sich (noch) nichts. Meine jüngere Schwester, meine geplante Wochenbetthilfe, war bereits eingetroffen und half seither fleissig im Haushalt mit. Am Mittwoch
drauf kam meine Mutter, zweite Wochenbetthilfe, an und beide wollten/mussten am Montag drauf wieder heimfahren! Ich wünschte mir so sehr, dass mein Wunsch in Erfüllung gehen würde und sie bei der
Geburt dabei sein konnten und vor allem hoffte ich auf ihre Unterstützung für die ersten Tage danach…
Ich lernte, neu auf Gottes perfektes Timing zu vertrauen und gab ihm meine Wünsche und Vorstellungen ab. Er gab mir neues Vertrauen und die Gewissheit, dass er keine Fehler macht.
Eine Woche später dann kam meine Hebamme zur Schwangerschaftskontrolle. Ich erhielt einen Einlauf als wehenfördernde Massnahme. Kaum war die Hebamme weg, bemerkte ich eine regelmässige starke
Erhärtung meines Bauches. Zuerst dachte ich aber nicht gross darüber nach. Ich konnte mir nicht vorstellen dass es wirklich losgehen sollte. Doch immer wieder kamen kleine Wellen die es zu
veratmen galt, ich war froh dass ich mich bei meinem Mann beim Spazieren in der Langen Erlen einhaken konnte.
Zu Hause wollten wir schnell ins Bett um noch etwas schlafen zu können, ich sehnte mich nach einem warmen Bad und liess mir die Badewanne ein. Das tat gut! Es war 21:00. Nun wunderte ich mich,
wie regelmässig das Ziehen im Unterleib schon war. Ich hatte teilweise das Gefühl, dass maximal 5 Minuten dazwischen lagen… ich musste schon die Ballonatmung anwenden, um das Ziehen angenehm zu
verarbeiten.
In einer Wellen-Pause wechselte ich ins Bett und beatmete ein paar weitere Wellen, wobei ich jetzt schon meinen Mann fragen musste, mir den Rücken dabei zu stützen. Jetzt war ich sicher, dass es
nun doch losging und rief die Hebamme um 21:50 an. Ausserdem schrieb ich einer extra erstellten Gebetsgruppe, dass es „losging“. Dann wechselte ich zurück in die Badewanne. Ich hörte meine
Entspannungs-Playlist (mehrheitlich biblische Texte musikalisch untermalt) und versuchte, so gut wie möglich zu entspannen und zum Baby zu gehen.
Trotzdem brauchte ich nun immer jemanden an meiner Seite und teilte das den Anderen mit, so wechselten sich meine Mutter, meine Schwester und mein Mann ab. Die Wellen wurden stärker, alle 3-4
Minuten, aber mit etwas Händedruck im unteren Rücken konnte ich sie gut veratmen. Die Hebamme kam um 22:30, untersuchte mich und teilte mir freudig mit, dass wir das Baby diese Nacht wohl
begrüssen werden würden. Nun realisierte ich erst, dass ich mich mitten im Geburtsprozess befand;-)
Um 23:20 wechselte ich in den Pool, das Wohnzimmer war in Lavendelduft gehüllt und Kerzen waren angezündet. Es war so schön meine Liebsten um mich zu haben, jeder übernahm eine Aufgabe: Mein Mann
stützte mir den Rücken, meine Mutter hielt mit festem Griff meine Hände, meine Schwester reichte mir während der kurzen Wellen-Pausen zu trinken und die Hebamme kontrollierte die Herztöne vom
Baby.
Die Wellen waren sehr intensiv und effizient wie ich fand, es fiel mir immer schwerer in den Pausen voll zu entspannen, weil sie so kurz waren! Nach Musik oder Entspannungs-Übungen hatte ich kein
Bedürfnis, da ich mich so konzentrieren musste. Es brauchte eine doppelte Ladung Vertrauen und Mut, da ich lange Geburten gewohnt war und mir die Vorstellung, noch lange so weitermachen zu
müssen, etwas Angst machte…
Dann plötzlich um 23:50 hatte ich das Gefühl, schon das Köpfchen im Geburtsgang zu spüren! Konnte das sein? Ich sagte zu meiner Hebamme: „Es zieht so nach unten, ich möchte schon mitschieben! Ist
denn das Köpfchen schon da?“ Dann tastete ich danach und - ich fühlte es tatsächlich! „Da ist es schon“, sagte ich mit einem Lächeln und meine Hebamme fragte: „Hast du noch Muttermund gefühlt?“
„Keine Ahnung“, sagte ich - da hatte ich nun wirklich nicht drauf geachtet;-).
Dann überkam mich nochmal eine starke Welle gepaart mit einer Art Pressdrang. Alles spannte und es schmerzte. Ich wollte das Köpfchen rausschieben und gleichzeitig wollte ich nicht, dass etwas
reisst und keinen Schmerz, ich war in einem Dilemma. Da hörte ich die beruhigende Stimme der Hebamme. Sie sagte, ich solle nochmal zurück in die Ruhe und dann nur hinaus atmen. Das machte ich,
die nächste Welle liess sogar kurz auf sich warten und das Köpfchen rutschte nochmal etwas zurück. Ich genoss diese kurze Pause sehr. Ich konnte ganz loslassen und war bereit, während der
nächsten Welle nur zum Kind zu atmen und dann geschah das Unglaubliche: das Köpfchen glitt praktisch schmerzfrei hinaus!
Ich war überglücklich als ich es abtastete. Dann sagte ich meinem Mann er solle schnell unsere älteste Tochter holen, was er auch tat. Sie kamen pünktlich vor der Schluss-Welle wieder rein,
sodass unsere Tochter sehen konnte, wie „das Baby rauskommt“ (das war zuvor ihr Wunsch gewesen).!
Um 00:07 flutschte der kleine Körper hinaus! Dann wollten wir natürlich wissen, „was es ist“ und da ich mit unserer Tochter abgemacht hatte, dass sie es uns sagen darf, liess ich sie unter die
Tücher schauen und da verkündete sie uns „ein Määdchen!“ wir mussten alle lachen und verkündeten den Namen unserer dritten Tochter.
Ich werde mein Leben lang mit grosser Dankbarkeit an diese wunderschöne Geburt zurückdenken.
Ich wünsche mir, dass noch viele Frauen und Männer den Luxus einer solchen „Privatgeburt“ erleben dürfen…